DSB enttäuscht von der Neuregelung des Waffenrechts

Sachliche Argumente fanden nicht ausreichend Gehör

Deutscher Schützenbund, Wiesbaden, 14.06.2002 - Heute morgen hat der Bundestag einstimmig, bei Enthaltung der FDP, die von der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses vorgeschlagenen "Änderungspunkte zum Waffengesetz" verabschiedet. In seltener Einmütigkeit hatten sich zuvor Bundesinnenminister Otto Schily, der bayerische Staatsminister Dr. Günther Beckstein und der nordrhein-westfälische Innenminister Dr. Fritz Behrens über die "im Interesse der Innern Sicherheit notwendigen Anpassungen" verständigt, obwohl der im Bundestag am 26. April beschlossene Entwurf zur Neuregelung des Waffenrechts, bereits eine Vielzahl von Verschärfungen im Vergleich zum heute geltenden Recht vorsah.

Der Deutsche Jagdschutzverband, die im Forum Waffenrecht zusammengeschlossenen Verbände und der Deutsche Schützenbund bedauern, dass die Politik nach dem tragischen Ereignis in Erfurt dem gerade beschlossenen Waffengesetz nicht die Chance einer Bewährung gegeben hat. Mit den dort vorgesehenen verschärften Regelungen wäre der Waffenbesitz des Täters von Erfurt mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindert worden, ebenso wenn das derzeit noch geltende Recht von den Behörden konsequent angewendet worden wäre.

Leider hatte in einem ersten "Schnellschuss" die sog. Kanzlerrunde die Notwendigkeit von weitergehenden Regelungen "erkannt" und damit politisch weitgehend zementiert, die für Jäger und Sportschützen diskriminierende und schikanöse Erschwernisse gebracht hätten, jedoch mit der Tat von Erfurt nichts zu tun hatten und für die innere Sicherheit schon überhaupt nichts bewirkt hätten. Kein noch so scharfes Gesetz der Welt allein, kann derartige Ereignisse verhindern.

Die Verbände haben in gewohnt sachlicher Weise und in weiten Teilen erfolgreich versucht, gegenüber den wenig sach- und fachkundigen Vorschlägen, die nach Erfurt offentlich gemacht wurden, auf die weiteren Beratungen einzuwirken. Viele der erkennbar an der Diskussion in der veröffentlichten Meinung orientierten Regelungen konnten hierbei abgewendet werden.

  1. Bei den zunächst verlangten Altersgrenzen für den Waffenerwerb konnten erhebliche Differenzierungen erreicht werden.
    - Die Altersgrenze für den Erwerb von Waffen durch Jäger wird von 16 auf 18 Jahre angehoben. Jäger unter 18 dürfen Waffen führen, aber nicht zu Eigentum erhalten.
    - Die Altersgrenze für den Erwerb durch Sportschützen für Kleinkaliberwaffen und Waffen für olympische Disziplinen (Wurfscheibe) bleibt bei 18 Jahren. Die Altersgrenze für den Erwerb von sonstigen großkalibrigen Waffen wird auf 21 Jahre angehoben 
  2. Die Einführung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung erfolgt nicht für Jahres- und Jugendjagdscheininhaber, sowie nicht für Schützen, die Waffen erwerben, die ab 18 erworben werden dürfen.
  3. Die Erwerbsregelungen für Sportschützen bleiben auf dem Stand 26.4.02 (z.B. Repetierer auf gelbe WBK)
  4. Vorderschaftrepetierwaffen bleiben zulässig, verboten wird ausschließlich die Pumpgun mit Pistolengriff, ohne Hinterschaft.
  5. Die Aufbewahrung von Munition erfolgt nicht in Vereinsheimen - was selbst von der Gewerkschaft der Polizei als eine Gefährdung der inneren Sicherheit gesehen wurde -, es bleibt bei den Aufbewahrungsregeln Stand 26.4.2002.
  6. Als sinnvoll kann die Einrichtung einer Auskunftsmöglichkeit der Waffenbehörde aus dem Erziehungsregister, die Einführung einer Meldepflicht für Waffenhändler beim Überlassen von Schusswaffen angesehen werden. Diese Vorschläge wurden auch von den Verbänden mitgetragen.
  7. Nicht einverstanden - aus dem Ereignis "Erfurt" auch nicht begründbar - sind die Verbände mit den neuen Regelungen, wonach Schießsportordnungen durch das Bundesverwaltungsamt genehmigt werden müssen. Beim Bundesverwaltungsamt wird zwar ein Fachbeirat gegründet, in dem die Verbände vertreten sind, dies ändert nichts an der Tatsache, dass hier ein einmaliger Eingriff in die Autonomie des Sportes vollzogen wird, der in den internationalen sportlichen Beziehungen für erhebliche Dissonanzen sorgen wird.
  8. Nicht begründbar ist ebenfalls die Anhebung der Altersgrenze für "Anfänger" im Sportschießen, die wieder von 10 auf 12 angehoben wurde. Es ist zwar die bundeseinheitliche Handhabung von Ausnahmen im Gesetz verankert, dennoch ist zu fragen, was für ein Bild vom Schießsport der Gesetzgeber hat, wenn er glaubt, hier ein derartiges Mindestalter als Regel festlegen zu müssen.
  9. Nicht nachvollziehbar ist die Regelung, dass anerkannten Schießsportverbänden aufgegeben wird, ihre Vereine regelmäßig daraufhin zu überprüfen, dass diese ihre rechtlichen Verpflichtungen nach dem Waffengesetz einhalten. Die Arbeit des Sports erfolgt im Ehrenamt, in der Freizeit der Funktionäre und ohne Entgelt. Unabhängig von der tatsächlichen Unmöglichkeit der Überprüfung stehen dem auch rechtliche Erwägungen entgegen, denn die Verbände haben keine gesetzlich abgesicherten Befugnisse zur Kontrolle. Es kann nicht Aufgabe der Schießsportverbände sein, Überwachungsfunktionen für den Staat zu übernehmen. Nur diesem obliegt es, die Einhaltung der Rechtsvorschriften zu überwachen.

Es bleibt festzuhalten: Trotz aller Beteuerungen der Politiker, dass die Hauptgefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von den illegalen Waffenbesitzern und nicht von den Jägern, Sammlern und Sportschützen ausgehen, wird vordergründig gerade dieser Personenkreis von den Neuregelungen erheblich betroffen. Von den Worten des Ministerpräsidenten Dr. Bernhard Vogel, Thüringen, "Dabei haben wir selbstverständlich keinen Grund, die vielen Schützenvereine und die rund zwei Millionen rechtschaffenen Sportschützen oder gar alle Jäger unter Generalverdacht zu stellen." ist nicht viel übrig geblieben. Die Einführung einer medizinisch - psychologischen Untersuchung - auch nur für einen beschränkten Anwendungsbereich - stellt eine ganze Generation von jungen Menschen unter Generalverdacht und ist die Fortsetzung des alten Fehlers, derartig schreckliche Vorgänge wie "Erfurt" über schnelle gesetzliche Regelungen verhindern zu wollen, ohne sich mit den wirklichen Ursachen auseinander zu setzen. Jeder, der weiß, wie leicht illegale Waffen zu beschaffen sind, weiß auch, dass dies ein untauglicher Versuch ist.

Für die Verbände bleibt nun die wichtige Aufgabe, entsprechend den Zusagen der Politik, in den zu erlassenden Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften eine sachgerechte Anwendung der neuen Regelungen zu gewährleisten. In den Gesprächen in  Berlin wurde darüber hinaus deutlich, dass die Neufassung des Waffengesetzes nur eine vorläufige ist. In der kommenden Legislaturperiode soll über die weitergehenden Forderungen der Länder, die im jetzigen Verfahren unberücksichtigt blieben, erneut entschieden werden. Für die Verbände bedeutet dies, dass sie Ihre Anstrengungen in Berlin ungemindert fortsetzen müssen. Die Verbände setzen sich für Regelungen, die der inneren Sicherheit dienen, nach wie vor uneingeschränkt ein. Sie werden ihre an den tatsächlich gegebenen Erfordernissen orientierte Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit bei Bund und Ländern fortsetzen.