Liebe Schützenschwestern und Schützenbrüder,

Günter R. J. Plügge, 1. Vizepräsident des SSB

Günter R. J. Plügge, 1. Vizepräsident des SSB

in diesem Beitrag äußere ich mich hauptsächlich zum Thema „Die Kameradschaft der Schützen.“ Den Mitgliedern der Schützenvereine ist hinlänglich bewusst und selbstverständlich, dass das Schützenwesen eine Synthese aus Schießsport und Tradition sowie zugleich aber auch eine glückliche Verknüpfung von Fortschritt und der Bewahrung des altbewährten Brauchtums ist - im Sinne: Veralterndes erneuern, zu Erhaltendes stützen, Neues schaffen. Schießsport und Tradition machen das aus, was wir unter unserem Schützenwesen verstehen. Damit schließlich das Vereinsleben funktioniert, verbinden wir die zwei tragenden Grundfeiler zusätzlich mit der Verwirklichung einer Geselligkeit im Rahmen des von Harmonie geleiteten Miteinanders der Schützen. Wir sollten auf eine jahrhundertealte Tradition stolz sein, besonders aber auf das, was uns aus der Zeit der Väter und ihren Verpflichtungen geblieben ist, und zwar als Begriffe der Kameradschaft und des Pflichtbewusstseins. Für die Durchführung der Vereinstätigkeit zur Realisierung der satzungsgemäßen Aufgaben, wie Leistungs- und Breitensport sowie Obliegenheiten der Schützentradition, sind bezüglich der Rechte und Pflichten eine Vielzahl von Regelungen seitens der Bundes- und Landesregierung, der kommunalen Organe, des Deutschen Schützenbundes, des Landessportbundes, des eigenen Landesschützenverbandes und Schützenvereins festgelegt worden.
Da aber die Wirkung eines Vereins sich nicht allein in seiner sportlichen Aktivität und Traditionsarbeit erschöpft, wie schon oben genannt, woher leiten wir weitere „außersportliche Interessen“ sowie Grundlagen zur Aufrechterhaltung des Vereinslebens ab und wo steht etwas Verbindliches über diese Selbstverständlichkeiten der Schützen - u.a. Geselligkeit, Kameradschaft, Gemeinschaftsdenken, brüderliche Mitbürgerlichkeit, Gemeinschaftspflege, sportlicher Kameradschaftsgeist, Fairness, Verbundenheit, gesellschaftliches Engagement, Liebe zur Heimat, Solidarität, örtlicher Gemeinsinn, Werte des lebendigen Bürgersinns, starke sozial-integrative Kraft, Hüter überkommener und nichtaufgebbarer menschlicher Werte - geschrieben?
Gelegentlich werden in den Grußworten der Politiker oder anderen Ehrengäste auf Veranstaltungen oder in Festschriften derartig lobende Eigenschaften der Schützen gepriesen; wir hören und lesen diese Wertschätzung und Anerkennung gern. Dessen ungeachtet müssen diese grundsätzlichen Werte und Richtsätze de facto irgendwo verankert sein!
In der Satzung des Deutschen Schützenbundes sind diese Prinzipien jedoch nicht aufgeführt. Die Satzung des Sächsischen Schützenbundes vermerkt allerdings im § 2: „Zweck des SSB ist die Pflege des geselligen Schützenlebens“. Damit ist ein Kanon zur Förderung der Gemeinschaftsbeziehungen vorgegeben. Ähnlich lautende Richtmaße von Regeln dieser Art werden vermutlich in den Satzungen der mehr als 340 Schützenvereine und 14 Sportschützenkreise des Sächsischen Schützenbundes enthalten sein - wahrscheinlich in ca. 15.150 Satzungen der mittelbaren Mitglieder des DSB.
Ehern festgeschrieben für alle Schützen des Deutschen Schützenbundes sind die Grundsätze, die in der großen Festrede am 18. November 1951 zur Proklamation der Wiedergründung des Deutschen Schützenbundes in Köln durch den Kölner Regierungspräsidenten Dr. Warsch in Anwesenheit des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss verkündet wurden:
1. „Lasst uns Brüder sein und unseren Mitmenschen helfen in ihrer Not.
2. Lasst uns echte Patrioten sein und eintreten für Versöhnung, Liebe und Frieden in unserem Volke und in der Welt.
3. Lasst um grundsatztreue Charaktere sein.
4. Lasst uns Freunde der Jugend sein.“
Bundespräsident Heuss betonte bei der Vornahme der feierlichen Proklamation, dass u.a. fortan bei der Pflege von Werten durch den Deutschen Schützenbund ein starker Akzent bei der Förderung der Brüderlichkeit liegen müsse.
Dr. h.c. Georg von Opel, 1957 - 1971 Präsident des Deutschen Schützenbundes, äußerte sich in seinem richtungsweisenden Referat am 6. Mai 1962 auf dem Deutschen Schützentag in Mainz u.a. „Es ist unser Bestreben, den Schießsport zu fördern, den Frieden zu lieben und den Menschen zu achten. ... Die Tradition ist für uns Schützen das wertvollste und schönste Gut. Tradition soll für uns [jedoch] kein Schützenmuseum sein, sondern ein Auftrag für die Zukunft unseres Schützentums und unserer Vereine. ... Besonders wir Schützen legen neben der Ausübung unseres Sportes großen Wert auf die Pflege der Geselligkeit und Kameradschaft. Sie finden ihren Ausdruck in fröhlichen Zusammenkünften. Hier möchte ich Ihnen meinen besonderen Wunsch zum Ausdruck bringen und ans Herz legen: Den menschlichen Kontakt in unseren Vereinen stärker zufördern“ Der damalige Präsident des DSB bekannte sich hiermit zu den humanistischen Idealen, die unsere Schützenbewegung tragen. Josef Ambacher, 1. Landesschützenmeister des Bayerischen Sportschützenverbandes und seit 1994 Präsident des DSB, betonte in seiner Grundsatzansprache anlässlich des Bayerischen Jugendtages 1989 in Passau u.a. zum Leitmotiv der Schützen: „Ich glaube, dass die Pflege der Kameradschaft, das gegenseitige Verstehen und der Zusammenhalt, die Heimatverbundenheit, das solide Streben nach Leistung in Gesellschaft und Sport, auch in Zukunft für uns erstrebenswert bleiben und im gemeinsamen Erleben Freude bereiten und Lebenshilfe geben werden.“
Seit fast 54 Jahren wurden diese Leitsätze für die Schützen im Deutschen Schützenbund zur richtungsweisenden Devise ihres nationalen und internationalen Wirkens. Diese sittliche Grundhaltung wurde am 15. Juli 1961 in München in der Festrede des damaligen Bundespräsidenten Dr. Heinrich Lübke anlässlich der Feier zum 100jährigen Jubiläum der Gründung bzw. 10jährigen Jubiläum der Wiedergründung des DSB sowie auch erst vor wenigen Jahren, am 27. März 2001 im Schloss Bellevue, in der Ansprache des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau beim Empfang des Präsidiums und Gesamtvorstandes des DSB anlässlich des Jubiläumsjahres 2001 zum 150jährigen Jubiläum der Gründung bzw. 50jährigen Jubiläum der Wiedergründung des Deutschen Schützenbundes besonders hervorgehoben. „Die gemeinsame Freude am Sport und das gute Miteinander im Verein schaffen auch Vertrauen für andere Lebensbereiche.“ (BP Rau am 27. März 2001)
Die Pflege der Gemeinschaft besitzt Priorität- Es kann in unseren Vereinen nur ein Miteinander geben, getragen vom bewussten pfleglichen Umgang mit den Mitgliedern sowie durch Freude und die Gesellschaft Gleichgesinnter. Heitere Geselligkeit ist ein charakteristisches Merkmal, das uns Schützen auszeichnet - feiern ist ein Teil Lebenslust. Kameradschaft und Pflichtbewusstsein sind für uns hohe Güter. Die Kameradschaft beruht auf gegenseitige Achtung und Sympathie; sie schließt mehrere Inhalte und Attribute ein: sittliche und gemeinsame Grundhaltung, seelische Verbundenheit, eine gemeinsame Zielstellung, wohlgeordnete und zwischenmenschliche Beziehungen, harmonische Fähigkeiten, gegenseitige Unterstützung und Hilfe, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit des einzelnen, Beachtung der Individualität der Kameraden, Freude über Leistungen und. Erfolge des anderen, Dialogbereitschaft und Meinungsaustausch, Überprüfung und Korrektur der eigenen Ansichten, den Standpunkt des anderen erkennen und verstehen, Teilnahme an gesellige Veranstaltungen, Mitwirkung zur Entspannung und zur Verbreitung von Freude.
Die Frage ist nun, praktizieren wir untereinander in den Vereinen, in den Vorständen und anderen Gremien ein genügend Maß von Kameradschaft oder reden wir nur über zwischenmenschliche Beziehungen? Den menschlichen Kontakt in unseren Vereinen stärker zu fördern bedeutet jedoch, dass man sich mit der Thematik auseinandersetzen muss. Obwohl etliche Mitglieder resigniert den Verein verließen und wechselten, wobei sie sogar größere Entfernungen zum neuen Verein und andere Umstände in Kauf nehmen, aber auch ganze Gruppen sich unzufrieden vom ehemaligen Verein trennten und danach einen neuen Schützenverein bildeten oder einzelne Schützen enttäuscht das Vereinsleben endgültig aufgaben, weil sie alle gemeinsam die erwünschte Kameradschaft so bedeutsam betrachteten und die menschliche Atmosphäre als unbefriedigend und unakzeptabel empfanden, wurden meines Erachtens die Ursachen trotzdem oft nicht näher ergründet und die Bedingungen auch nicht geändert.
Jedenfalls kann ich derartiges aus eigener Erfahrung bestätigen. Auch ich pflege nicht gerne den Umgang mit Schützen, die „kalte Herzen" haben, egoistisch und unhöflich sind. Oft ist es auch schwierig, Schützen mit unkameradschaftlichem Verhalten und einer inneren beziehungslosen Abwehrhaltung zu begegnen. Bereits Platon (427 v. Chr. - 347 v. Chr.) sagte: „Wer zur Gemeinschaft unfähig ist, der ist es auch zur Kameradschaft.“ Um in dieser m.E. wichtigen Sache einen Denkanstoß geben zu können, erscheint mir der Beitrag, der auch Fragen des Führungsstils berührt, bedenkenswert und hilfreich. „Wo das Bewusstsein schwindet, dass jeder Mensch uns als Mensch etwas angeht, kommen Kultur und Ethik ins Wanken“ (Albert Schweitzer, 1875 - 1965). Damit unser Vereinsleben attraktiv und lebendig bleibt, sollte man rechtzeitig über mehr Engagement für den Verein und mehr Sinn für die Gemeinschaft nachdenken und zuwege bringen - dann können wir auch künftig viele Mitglieder im Sinne unserer Schützensache gewinnen, begeistern und motivieren. Mit dieser Hoffnung grüße ich Sie herzlich mit Schützengruß

Günter R.J. Plügge, 1. Vizepräsident des SSB